The National Times - Bundesgerichtshof fordert mündliche Aufklärung vor ärztlichen Eingriffen

Bundesgerichtshof fordert mündliche Aufklärung vor ärztlichen Eingriffen


Bundesgerichtshof fordert mündliche Aufklärung vor ärztlichen Eingriffen
Bundesgerichtshof fordert mündliche Aufklärung vor ärztlichen Eingriffen / Foto: © AFP/Archiv

Bei der Aufklärung über die Risiken medizinischer Eingriffe dürfen Ärzte ihre Patienten nicht allein mit Papier abspeisen. "Es muss jedenfalls der für die selbstbestimmte Entscheidung notwendige Inhalt mündlich mitgeteilt werden", stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil klar. (Az. VI ZR 188/23)

Textgröße ändern:

Der Kläger aus Südhessen war 2015 wegen zunehmender Schmerzen im rechten Sprunggelenk bei einem Unfallchirurgen in Behandlung. Weil Bewegungsübungen und eine verringerte Belastung des Fußes keine Linderung brachten, schlug der Arzt 2016 eine Operation vor. Ambulant wurden zunächst 14, in einer Klinik dann weitere 17 in dem Gelenk festgestellte sogenannte Gelenkkörper aus Knorpel oder Knochen entfernt.

Schon nach dem ersten ambulanten Eingriff klagte der Mann über "Missempfindungen" bei Berührungen des Fußrückens und zunehmende Schmerzen im rechten Fuß. Es wurden ein Nervengeschwulst und eine Schädigung der Nerven an der Einstichstelle des bei der ersten Untersuchung und Operation verwendeten Arthroskops festgestellt.

Der Patient ist inzwischen zu 60 Prozent schwerbehindert und dauerhaft erwerbsunfähig. Mit seiner Klage verlangt er Schadenersatz von dem Chirurgen. Dieser habe nicht über die Risiken einer Arthroskopie aufgeklärt, insbesondere nicht über das Risiko einer Nervenschädigung.

Im Aufklärungsbogen waren diese Risiken beschrieben. Ob und inwieweit darüber auch gesprochen wurde, war zwischen Arzt und Patient umstritten. Nach dem nun schriftlich veröffentlichten BGH-Urteil kommt es genau darauf jedoch an. Denn das Gesetz bestimme, "dass die Aufklärung mündlich zu erfolgen hat".

Zwar müssten dabei die möglichen Risiken nicht "exakt medizinisch" beschrieben werden. Patienten müssten aber "eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren" bekommen. Über schwerwiegende und das weitere Leben belastende Risiken sei "grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen".

Bei dem Aufklärungsgespräch könne auf schriftliche Unterlagen wie die inzwischen üblichen Aufklärungsbögen Bezug genommen werden. Der Gesetzgeber habe aber gewollt, dass Patienten Rückfragen stellen könnten und die mündliche Aufklärung "nicht auf einen lediglich formalen Merkposten innerhalb eines Aufklärungsbogens reduziert wird".

Kern der Aufklärung müsse daher "ein vertrauensvolles Gespräch" sein, stellte der BGH klar. Dabei müsse der Arzt auf individuelle Belange des Patienten eingehen und sich davon überzeugen, "dass der Patient mündliche wie schriftliche Hinweise und Informationen verstanden hat".

Vor diesem Hintergrund soll im Streitfall das Landgericht Darmstadt die Inhalte des Aufklärungsgesprächs genauer klären. Insbesondere habe die Vorinstanz nicht offen lassen dürfen, ob auch das Risiko einer Nervenschädigung Thema gewesen sei. Die schriftlichen Hinweise im Aufklärungsbogen reichten hierzu nicht aus.

R.T.Gilbert--TNT

Empfohlen

Drogenbeauftragter: "Wir haben ein Alkohol- und Tabakproblem in Deutschland"

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck (CDU), hat den Deutschen ein problematisches Verhältnis zu Alkohol und Tabak attestiert. "Wir haben ein Alkohol- und Tabakproblem in Deutschland. Und darüber müssen wir reden", sagte Streeck der "Welt" (Montagausgabe). Alkoholkonsum sei "tief in unserer Kultur verwurzelt, und einen Kulturwechsel macht die Gesellschaft nur langsam mit".

Starkes Übergewicht: Kinder aus ärmeren Familien deutlich häufiger betroffen

Kinder aus ärmeren Familien sind häufiger stark übergewichtig als Mädchen und Jungen aus wirtschaftlich besser gestellten Schichten. Bei Kindern aus sozial schwachen Familien wurde die Diagnose Adipositas im Jahr 2023 zu rund 36 Prozent häufiger gestellt, wie Daten der Krankenkasse DAK belegen, die der Nachrichtenagentur AFP am Freitag vorlagen. Bei Mädchen ist dieser Trend mit 39 Prozent noch ausgeprägter als bei Jungen.

Gesundheitsminister wollen Schutz vor Gewalttaten durch psychisch Kranke verbessern

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen den Schutz vor Gewalttaten durch psychisch kranke Menschen durch eine bessere Vernetzung von Betreuungsstrukturen verbessern. Notwendig sei ein "ganzheitlicher Ansatz", erklärten sie am Donnerstag im thüringischen Weimar zum Abschluss ihrer Jahreskonferenz. Zudem forderten sie ausreichend Geld für den öffentlichen Gesundheitsdienst.

Krankenhäuser fordern Milliarden-Soforthilfe noch vor Sommerpause

Angesichts der Finanznöte vieler Kliniken hat die Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) eine Soforthilfe von der neuen Bundesregierung gefordert. Um ein weiteres Kliniksterben abzuwenden, bräuchten die Krankenhäuser noch vor der Sommerpause eine "Soforthilfe von vier Milliarden Euro", um die Kostensteigerungen aufzufangen, sagte DKG-Chef Gerald Gaß der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe). 80 Prozent der Kliniken schrieben aktuell rote Zahlen, und seit Anfang 2022 hätten knapp 80 Standorte Insolvenz angemeldet.

Textgröße ändern: